Es passiert in Sekunden.
Ein Kommentar, ein Blick, eine Mail, ein Gedanke und plötzlich zieht sich in dir etwas zusammen.
Bevor du überhaupt richtig hinschaust, ist da schon dieser Impuls:
„Jetzt reicht’s mir!“
Dein Körper wird eng, dein Kopf schaltet auf Analyse, dein Mund ist schon halb geöffnet, um zu reagieren.
Wir alle kennen diesen Moment.
Und genau da, zwischen dem was geschieht und dem was du daraus machst, liegt der wichtigste Schritt in der Gewaltfreien Kommunikation:
das Beobachten.
Der erste Schritt: sehen, was wirklich los ist
Beobachten bedeutet:
Ich nehme wahr, was gerade passiert, ohne es sofort zu bewerten oder zu erklären.
Das klingt simpel. Ist es aber nicht.
Denn unser Nervensystem sucht ständig nach Orientierung. Es will wissen: Bin ich sicher oder nicht?
Und Sicherheit scheint zu entstehen, wenn wir Dinge einordnen können: richtig oder falsch, gut oder schlecht.
Doch genau dieses automatische Sortieren trennt uns –
von der Wirklichkeit,
von unserer Ruhe,
und oft auch von uns selbst.
Beobachtung ist die Einladung, einen Moment länger präsent zu bleiben, bevor der Kopf übernimmt.
Es ist der Schritt, der dir erlaubt, dein Nervensystem zu regulieren, statt dich von ihm steuern zu lassen.
Beobachten heißt: sehen, was wirklich geschieht
Beobachten heißt, das zu sehen, was gerade passiert:
das, was eine Kamera aufnehmen könnte.
Ohne Wertung.
Ohne Interpretation.
Nur das, was tatsächlich da ist.
Wenn du dir vorstellst, du würdest die Situation filmen:
Was wäre sichtbar?
Was würde man hören?
Und was entsteht nur in deinem Kopf, weil du es deutest oder bewertest?
Genau hier beginnt Bewusstsein:
bei der Klarheit, was Fakt ist und was Geschichte.
Warum Beobachtung so schwerfällt
Wir alle tragen eine unsichtbare Brille, geprägt von unseren Erfahrungen, Mustern und Glaubenssätzen.
Von dem, was wir gelernt haben zu denken und zu fühlen:
„So darf man nicht sein.“
„Ich muss stark sein.“
„Wenn ich wütend bin, verliere ich Kontrolle.“
Diese Brille färbt, wie wir die Welt sehen.
Ein kritischer Kommentar? Könnte sich anfühlen wie Ablehnung.
Ein stiller Blick? Wie Desinteresse.
Ein Nein? Wie Angriff.
Doch Beobachtung bedeutet, die Brille für einen Moment abzunehmen.
👉 Reflexionsfrage:
Wenn du eine Situation betrachtest, die dich getriggert hat:
Was siehst du wirklich?
Und was davon ist deine eigene Geschichte?

Beispiel: Bewertung vs. Beobachtung
Situation: Jemand antwortet kurz angebunden auf deine Nachricht.
Mit Bewertung:
„Er ist genervt von mir.“
Ohne Bewertung:
„Ich habe eine kurze Antwort erhalten.“
Das eine schließt und das andere öffnet.
Bewertung bringt dich in Spannung.
Beobachtung bringt dich in Kontakt.
Erst wenn du siehst, was ist, kannst du verstehen, warum es so ist.
Beobachtung sagt:
Ich bin da.
Ich sehe.
Ich will verstehen und nicht urteilen.
Das ist der Moment, in dem Verbindung möglich wird – nicht nur mit anderen, sondern auch mit dir selbst.
Beobachtung ist nicht nur eine Technik – sie ist auch Haltung
Beobachten bedeutet nicht, dass du deine Gefühle unterdrückst.
Es heißt nicht, dass du neutral oder gelassen „funktionieren“ sollst.
Es bedeutet, dass du bewusst bleibst, auch wenn es in dir tobt.
Du kannst merken:
Da ist Wut.
Da ist Angst.
Da ist Enge.
Und trotzdem bleibst du bei dem, was tatsächlich geschieht.
Bevor du erklärst, warum etwas so ist, sieh erst hin. Nur das.
Dieser Moment verändert alles.
Denn er schafft Raum.
Raum für Bewusstsein. Raum für Wahrheit.
Miniübung: Die 30-Sekunden-Beobachtungspause
- Denk an eine Situation, die dich heute getriggert hat.
- Beschreibe sie so neutral wie möglich (ohne „immer“, ohne „nie“).
- Streiche jedes Wort, das interpretiert.
- Lies den Satz laut.
- Spür nach: Was verändert sich?
Vielleicht merkst du plötzlich:
Da ist mehr Ruhe.
Mehr Weite.
Mehr Verbindung.
Beobachten schafft innere Klarheit, weil du aufhörst, dich mit der Geschichte zu verstricken.

Fazit
Beobachtung ist kein passives Zuschauen.
Sie ist ein mutiges Innehalten.
Ein Moment, in dem du Verantwortung übernimmst, nicht durch Handeln, sondern durch Bewusstsein.
Wenn du lernst, zu sehen, was ist, statt was du glaubst, was sein sollte, entsteht Nähe.
Zu dir selbst.
Zum Leben.
Und zu der Wahrheit, die unter all dem Denken liegt.
FreiKlar-Impuls
Heute musst du nichts verändern.
Kein neues Konzept. Kein richtig oder falsch.
Atme.
Sieh, was ist.
Und beobachte, ohne zu werten.
Das ist Bewusstsein in seiner klarsten Form. 💛







